Jährlich erleiden rund 16‘000 Personen in der Schweiz einen Schlaganfall. Häufigste Ursache ist ein Gefässverschluss im Gehirn (ischämischer Schlaganfall). An zweiter Stelle stehen Hirnblutungen (hämorrhagischer Schlaganfall). Um eine wirksame Behandlung des Schlaganfalls in der Akutphase zu ermöglichen, ist eine schnelle und zuverlässige Diagnose von zentraler Bedeutung.
Die beiden bildgebenden Verfahren Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) spielen dabei eine Schlüsselrolle. Beide Verfahren erlauben einen detaillierten Blick in die Blutgefässe des Gehirns. Die MRT liefert im Vergleich eine etwas genauere Darstellung des Hirngewebes, ist allerdings auch aufwendiger in der Durchführung.
Gemäss internationalen Richtlinien werden bei Verdacht auf Schlaganfall CT und MRT gleichermassen empfohlen. In der klinischen Routine hängt die Wahl zwischen den beiden bildgebenden Verfahren deshalb meistens von der Verfügbarkeit der entsprechenden Geräte ab. Erstaunlicherweise wurde bisher wenig erforscht, wie sich die beiden Verfahren auf die Akuttherapie von Schlaganfallbetroffenen und den Therapieerfolg auswirken.
Diese Lücke haben Forschende unter der Federführung von Prof. Dr. med. Marcel Arnold, PD Dr. med. Johannes Kaesmacher und Dr. med. Thomas Meinel vom Inselspital, Universitätsspital Bern, nun geschlossen. In ihrer Studie haben sie die Daten einer Kohorte von über 11'000 Patientinnen und Patienten, welche im nationalen Hirnschlagregister «Swiss Stroke Registry» eingetragen sind, untersucht. Die Anwendung des Target Trial Konzepts – klare Fragestellung, sorgfältiges Design und eine systematische statistische Analyse – ermöglichte es den Forschenden, mit den zur Verfügung stehenden Beobachtungsdaten eine randomisierte Studie so gut wie möglich nachzuahmen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift «Annals of Neurology» veröffentlicht.
Die vorliegenden Studienresultate weisen darauf hin, dass Ärztinnen und Ärzte je nach bildgebendem Verfahren, welches beim Spitaleintritt einer Person mit Schlaganfallverdacht zum Einsatz kommt, andere Entscheidungen hinsichtlich der Akuttherapie treffen. So wurde bei Schlaganfallbetroffenen, die mittels MRT untersucht wurden, seltener eine intravenöse Thrombolyse durchgeführt. Ausserdem erhielten diese Patientinnen und Patienten ihre Behandlung ungefähr eine Viertelstunde später als solche, die mittels CT untersucht wurden. Ein statistischer Zusammenhang zwischen Bildgebungsverfahren und mechanischer Thrombektomie wurde hingegen nicht gefunden.
Trotz tieferer Thrombolyserate und längerem Warten auf die Behandlung, war der Therapieerfolg bei MRT-Patientinnen und Patienten höher als bei Schlaganfallbetroffenen, die mittels CT untersucht wurden. Thomas Meinel, Stellvertretender Oberarzt Neurorehabilitation am Inselspital Bern, kommentiert die Resultate so: «Die Ergebnisse zeigen, dass Ärztinnen und Ärzte sich bewusst sein sollten, dass die bildgebende Darstellung unter Umständen Einfluss auf ihre Therapieentscheide hat. Bis Studien höherer Evidenz verfügbar sind, sollten die Stroke Center und Stroke Units die Bildgebungsmodalität individuell an Patientencharakteristika anpassen und dabei die lokal etablierten Arbeitsabläufe weiter optimieren.». Um eine eindeutige Aussage zur Überlegenheit eines der beiden bildgebenden Verfahrens treffen zu können, empfiehlt der Forscher als nächsten Schritt die Durchführung einer randomisierten Studie.
Fachexperten der Studie am Inselspital, Universitätsspital Bern: