Neue Substudien zur ELAN-Studie: Früher Einsatz von Blutverdünnern nach Schlaganfall senkt das Risiko für erneute Schlaganfälle

Die ELAN-Studie zeigt, dass ein früher Behandlungsbeginn mit Blutverdünnern nach einem Hirnschlag bei Personen mit Vorhofflimmern das Risiko für erneute Schlaganfälle reduziert, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen. Unter Leitung des Berner Inselspitals haben Forschende der Neurologie und Neuroradiologie zwei bedeutende Subanalysen durchgeführt, deren Ergebnisse in «JAMA Neurology» und «Circulation» veröffentlicht wurden. Sie zeigen, dass der frühzeitige Einsatz von Blutverdünnern auch bei grossen Infarkten und Infarkteinblutungen das Risiko für erneute Hirnschläge senkt. Die Ergebnisse beider Substudien sind aus klinischer Sicht sehr bedeutsam, da sie eine individualisierte Behandlung ermöglichen.

Die ELAN-Studie (Early versus Late initiation of direct oral Anticoagulants in post-ischemic stroke patients with atrial fibrillatioN) ist eine 2023 im «New England Journal of Medicine» publizierte, randomisierte klinische Studie, die unter der Leitung der Universitätsklinik für Neurologie des Berner Inselspitals durchgeführt wurde. Die Studie konnte zeigen, dass ein frühzeitiger Behandlungsbeginn mit Blutverdünnern bei Personen mit einem Hirnschlag und Vorhofflimmern (unregelmässiger Herzschlag) das Risiko für erneute Hirnschläge reduziert, ohne dass vermehrt Blutungen auftreten.  Blutungskomplikationen, insbesondere Hirnblutungen, sind bei Personen mit schweren Hirnschlägen oder mit kleinen Einblutungen im Infarktareal besonders gefürchtet. Bei den betroffenen Personen muss gleichzeitig eine erneute Durchblutungsstörung und die damit verbundene zusätzliche Invalidität verhindert werden. Bisher wurde bei diesen schwer betroffenen Personen der optimale Therapiebeginn mit Blutverdünnern noch nicht näher untersucht. 

Berner Forschende der Neurologie (Dr. med. Martina Göldlin, PhD und Prof. Dr. med. Urs Fischer) sowie der Neuroradiologie (Dr. med. Roman Rohner und PD Dr. med. Arsany Hakim) haben diese Fragestellungen nun in zwei Arbeiten detailliert untersucht. Dafür wurden Bildgebungen von mehr als 2’000 Studienteilnehmenden ausgewertet. Die Resultate wurden im Mai in zwei hochrangigen Fachjournalen veröffentlicht.

In der im Fachjournal «JAMA Neurology» publizierten Subanalyse der ELAN-Studie zur Wechselwirkung von Infarktgrösse und Therapieeffekt konnte kein Einfluss der Infarktgrösse auf den Behandlungseffekt, insbesondere keine Erhöhung des Blutungsrisikos, festgestellt werden. Im Gegenteil: Personen mit grossen Hirnschlägen scheinen von einem frühen Behandlungsbeginn (5 bis 7 Tage nach dem Hirnschlag) tendenziell mehr zu profitieren als diejenigen mit kleinen und mittelgrossen Durchblutungsstörungen.

Eine zweite Substudie, die im Fachjournal «Circulation» publiziert und gleichzeitig an der Europäischen Schlaganfallkonferenz (ESOC) präsentiert wurde, zeigte ebenfalls, dass ein frühzeitiger Beginn der Antikoagulation bei Personen mit Einblutungen im Infarktareal nicht zu vermehrten symptomatischen Hirnblutungen führte. Bei kleineren Einblutungen könnte ein früher Behandlungsbeginn sogar vorteilhafte Effekte haben. Allerdings zeigte sich bei Personen mit grösseren Einblutungen ein erhöhtes Risiko für langfristige funktionelle Beeinträchtigungen bei frühem Therapiebeginn. 

„Die Ergebnisse beider Subprojekte sind aus klinischer Sicht sehr bedeutsam, da sie Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen, betroffene Personen bestmöglich und individualisiert zu behandeln“, sagt Dr. med. Martina Göldlin, PhD, Erstautorin der in JAMA Neurology publizierten Studie.

Auch aus Berner Sicht sind die beiden Projekte ein voller Erfolg: „Die Teilnahme an Grossprojekten ist für Nachwuchsforschende eine hervorragende Gelegenheit, sich international zu vernetzen und Einblick in grosse, multizentrische Projekte zu erhalten“, meint Prof. Urs Fischer, Studienleiter der ELAN-Studie. Die Universität Bern hat vor einigen Jahren an der Graduate School for Health Sciences (GHS) einen entsprechenden Doktoratsstudiengang zum PhD in Health Sciences geschaffen, der sich explizit an klinische Forschende richtet. Während Dr. med. Martina Göldlin, PhD ihr Doktorat letztes Jahr abgeschlossen hat und nun im Rahmen eines ihrer PostDoc-Projekte bei ELAN weitere Erfahrungen sammelt, steht Dr. med. Roman Rohner noch am Anfang dieses Weges. „Für mich persönlich ist es eine grosse Freude und Ehre, mit einer Publikation im renommierten «Circulation»-Journal in mein PhD-Studium starten zu können“, meint er dazu.

Die ELAN-Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds, der Schweizerischen Herzstiftung, der Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung sowie internationalen gemeinnützigen Stiftungen unterstützt.

Publikationen

Goeldlin MB, Hakim A, Branca M, et al. Early vs Late Anticoagulation in Minor, Moderate, and Major Ischemic Stroke With Atrial Fibrillation: Post Hoc Analysis of the ELAN Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol. Published online May 28, 2024. doi:10.1001/jamaneurol.2024.1450

Rohner R, Kneihsl M, Goeldlin MB et al. Early Versus Late Initiation of Direct Oral Anticoagulants After Ischemic Stroke in People With Atrial Fibrillation and Hemorrhagic Transformation: Prespecified Subanalysis of the Randomized-controlled ELAN Trial. Circulation. 2024 May 16. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.124.069324. 

Autorinnen und Autoren

Dr. med. Martina Göldlin, PhD hat 2023 einen PhD in Health Sciences (Neurosciences) der Universität Bern erworben und ist seither Postdoktorandin am Stroke Research Center Bern. Ihr wissenschaftliches Interesse gilt der Erkrankung kleiner Hirngefässe (Mikroangiopathien), den daraus resultierenden Komplikationen, Schlaganfällen, Hirnblutungen und kognitiven Problemen sowie deren Prävention. Seit 2017 absolviert sie ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Neurologie an der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern.

Dr. med. Roman Rohner begann nach Abschluss seines Medizinstudiums 2022 seine Weiterbildung zum Facharzt Radiologie mit Schwerpunkt Neuroradiologie am Universitätsinstitut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am Inselspital Bern. Dabei entdeckte er sein Interesse an klinischer Forschung, welches er im Rahmen des PhD-Programms in klinischer Forschung an der Graduate School for Health Sciences (GHS) der Universität Bern weiter vertieft.

PD Dr. med. Arsany Hakim ist Leiter des ELAN Imaging Core Labs und arbeitet als Oberarzt I am Universitätsinstitut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie.

Prof. Dr. med. Urs Fischer, der Initiant und «Principal Investigator» der ELAN-Studie, ist Ordinarius für Neurologie und Klinikdirektor der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern. Sein wissenschaftliches Interesse gilt der Beantwortung von klinisch ungelösten Fragen bei Personen mit einem akuten Hirnschlag mit Hilfe von internationalen randomisierten Studien. Er ist Präsident der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft und nächster Präsident der Europäischen Schlaganfallgesellschaft. 

Hirninfarkte unterschiedlicher Grösse, wie sie in der Computertomographie (obere Reihe), respektive Magnetresonanztomographie (untere Reihe) dargestellt werden.

Beispiele von Einblutungen in das Infarktareal (hämorrhagische Infarkttransformation) klassifiziert nach der European Cooperative Acute Stroke Study (ECASS) II. a-d mit aufsteigendem Schweregrad, links (*) jeweils mittels Computertomographie, rechts (+) mittels MRI dargestellt.

Dr. med. Martina Göldlin, PhD

Dr. med. Roman Rohner

PD Dr. med. Arsany Hakim

Prof. Dr. med. Urs Fischer